Was ich von der japanischen Servicekultur für mein Unternehmen mitnehme

Stelle dir vor, du hast heute richtig Stress. Du musst mit deinen Kollegen und deinem Chef sprechen und sie darum bitten, morgen deinen Dienst zu tauschen. Warum? Du kannst nicht zur Arbeit kommen, aber nicht, weil du krank bist oder eine andere wichtige Verpflichtung hast. Sondern weil derjenige, der dich zur Arbeit bringen sollte, morgen einfach nicht arbeiten will.

Stelle dir vor, du bist von einer Welle der Depression, Traurigkeit, Wut und anderen negativen Gefühlen überwältigt, die deinen Tag überschatten. Was ist passiert? Du freust dich seit Wochen auf deinen Urlaub. Seit Langem hast du darauf gespart und auch mal wieder eine längere Auszeit geplant. Doch heute erreicht dich die Nachricht, dass derjenige, der dich dorthin bringen sollte, morgen einfach nicht arbeiten will.

Wenn du dich jetzt fragst: Wo kann so etwas passieren?, dann schau am besten auf unser Land. Vielen Menschen geht es gerade so, und die beiden Beispiele habe ich aus meinem direkten Umfeld. Der Grund dafür sind die Streiks, die die Menschen mal wieder stressen und in unangenehme Situationen bringen.

Doch was soll man machen? Das ist doch überall so, oder? Diese Frage stellte ich mir auch und sprach mit jemandem aus Japan darüber. Auf meine Frage: „Streiken die Japaner eigentlich auch in dieser Form?“, erntete ich nur ein lautes Lachen. Wenn Züge, Busse oder Flüge mal ausfallen, dann meistens nur aus einem Grund: einer Naturkatastrophe. Streiks, wie wir sie hierzulande erleben, kennt man dort nicht.

Warum ist das so? Zum einen sind die Arbeitsbedingungen andere und auch die damit verbundenen Gehaltsentwicklungen. Zum anderen liegt es aber vielleicht auch am Mindset der kollektivistisch geprägten Gesellschaft, die man in Japan vorfindet. Diese ist darauf fokussiert, den anderen nicht in eine unangenehme Situation zu bringen.

Die Servicegesellschaft in Japan ist deswegen auch darauf aus, die Situation oder Sache dem Gegenüber so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Dies regelmäßig wieder zu erleben, ist einer der Gründe, warum ich gefühlt einmal jährlich in Japan bin.

Hierzulande frage ich mich deswegen immer öfter: Zu welchem Zeitpunkt sind wir falsch abgebogen? Andere Menschen in unangenehme Situationen oder Schwierigkeiten zu bringen, die mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben, scheint mir inzwischen ein Volkssport geworden zu sein. Ich erlebe es nur noch selten, dass über den Tellerrand hinausgedacht wird oder man sich bemüht, dem Gegenüber die Situation oder die Sache so angenehm wie nur möglich zu machen.

Japan ist deswegen ein guter Vergleich, dass es auch anders gehen kann. Die Gesellschaftsform, die Wirtschaftsleistung und der Lebensstandard ähneln unserem. Nur der Umgang miteinander unterscheidet sich gravierend von dem, was wir hierzulande erleben.

Interessant ist dabei jedoch, dass ich, wenn ich mit Menschen über dieses Thema spreche, immer dieselben Aussagen höre. Viele sind der Meinung, dass es besser wäre, wenn man wieder mehr aufeinander Rücksicht nehmen würde. Es scheint also nicht am Willen zu fehlen.

Eine meiner Visionen für unser Unternehmen ist es deswegen, dieses Mindset bei uns im Unternehmen zu verankern. Weg vom Ich, hin zum Wir. Denn ich bin der Meinung: Nur wenn man selber anfängt, die Dinge zu ändern, die man geändert haben möchte, dann kann sich auch etwas ändern. In diesem Sinne: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

Ein Gedanke zu “Was ich von der japanischen Servicekultur für mein Unternehmen mitnehme

  1. Hier bin ich ganz bei Dir!

    Wir / unser Land sind vor einigen Jahren falsch abgebogen! Leider ist der Leidensdruck noch nicht hoch genug um aufzuwachen.

    Aber jeder kann für sich in seinem Mikrokosmos (Firma, Freunde, Familie) dafür sorgen dass es beim WIR bleibt..

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