Als wir vor einem Jahr unsere Firma vollständig auf Remote-Arbeit umstellten, geschah etwas Unglaubliches für mich: Unsere Stellenanzeigen zogen eine beispiellose Flut von Bewerbungen nach sich.
Innerhalb von nur vier Monaten erhielten wir für drei ausgeschriebene Stellen 100 Bewerbungen. So etwas hatte ich bisher noch nie in einem meiner Unternehmen erlebt.
Bei den Conversion-Junkies führten wir vor dieser Änderung, mit jedem Bewerber ein Gespräch. Doch angesichts dieser Masse mussten wir unser Bewerbungsverfahren in kürzester Zeit, komplett umstellen und zusätzliche Prüfphasen einführen, um geeignete Kandidaten zu finden.
Wie dieser aussieht, darüber möchte ich hier berichten.
Der aktuelle Bewerbungsprozess bei uns umfasst neun Phasen:
- Wohnsitz und Sprachkenntnisse: Wir prüfen, ob der Bewerber in Deutschland lebt, einen ständigen Aufenthaltsort hier hat und über ausreichende Deutschkenntnisse (mindestens C1) verfügt.
- Fachliche Qualifikation: Wir bewerten die fachlichen Fähigkeiten, wobei die Dauer der Berufserfahrung für uns relevanter ist, als formale Ausbildungen.
- Digitale Affinität und persönliche Ziele: Ein Fragebogen erfasst die digitale Affinität, KI-Erfahrungen, persönliche Ziele, Gehaltsvorstellungen und gewünschte Arbeitsstunden.
- Erstgespräch: Ist der Bewerber oder die Bewerberin bis hierhin gekommen, führen wir ein Gespräch mit einem der Geschäftsleiter. Davor erhält jeder Bewerber einen weiteren Fragebogen. Wir prüfen zudem die technischen Voraussetzungen des Bewerbers im Gespräch.
- Fachgespräch: In einem Video-Call mit dem Teamleiter der Fachabteilung klären wir die fachliche Kompetenz und die Übereinstimmung der Aussagen mit den tatsächlichen Anforderungen.
- Teamspieleabend: Der Bewerber oder die Bewerberin nimmt an einem virtuellen Spieleabend mit den zukünftigen Teammitgliedern teil, um zu beurteilen, ob er oder sie ins Team passt.
- Arbeitsvertragsangebot: Der Bewerber erhält ein Vertragsangebot mit allen Eckdaten. Bei Bedarf findet ein weiteres Gespräch statt, um letzte Details zu klären.
- Führungszeugnis: Wir fordern ein Führungszeugnis an, um sicherzustellen, dass auch in diesem Bereich alles in Ordnung ist.
- Onboarding: Nach Erhalt des Führungszeugnisses und des unterschriebenen Arbeitsvertrags beginnt das Onboarding des neuen Mitarbeiters.
Bei jeden der einzelnen Phasen messen wir zudem die Reaktionszeiten der Bewerber:innen. Wer nicht zeitnah reagiert, wird ebenfalls nicht weiter berücksichtigt, da dies ein Hinweis auf mangelnden Interesse, fehlende Organisation oder fehlendes Zeitmanagement ist, beides wichtige Voraussetzungen, um bei uns remote zu arbeiten.
Der gesamte Prozess von der Bewerbung bis zur Einstellung dauert etwa acht Stunden, verteilt auf verschiedene Mitarbeiter und Phasen.
Diese detaillierte Auflistung half uns dabei zu verstehen, dass es für uns als Unternehmen günstiger ist, wenn jeder Bewerber diesen umfassenden Bewerbungsprozess durchläuft, als einen ungeeigneten Kandidaten nach der Einstellung wieder entlassen zu müssen.
Ursache für die vielen Bewerbungen?
Ein anfänglicher Zweifel bestand darin, ob die hohe Anzahl an Bewerbungen tatsächlich mit der Umstellung auf 100% Remote-Arbeit zusammenhing. Daher schalteten wir unsere Stellenanzeigen testweise aus und wieder ein und modifizierten sie leicht.
Unabhängig von den Änderungen blieb der Effekt bestehen. Dies zeigt, dass unser aktuelles Modell für viele Menschen attraktiv ist.
Zudem fragen wir unsere neuen Mitarbeiter:innen immer wieder gezielt nach den positiven Effekten, die sie bei uns wahrnehmen. Dabei kristallisieren sich drei Hauptgründe heraus:
- Extreme Flexibilität: Dank begrenzter Meetingzeiten können die Mitarbeiter ihren Tag nahezu frei einteilen.
- Virtuelles Büro: Unser virtuelles Büro vermittelt ein Gemeinschaftsgefühl und bietet Austauschmöglichkeiten mit Kollegen.
- Entspannte Kunden: Die Zusammenarbeit erfolgt auf Augenhöhe und basiert auf gegenseitiger Wertschätzung.
Wir sind fest davon überzeugt, 100% remote kann funktionieren, wenn man die richtigen Menschen hat. Denn auch wir sehen immer wieder, nicht jeder ist für 100% remote geeignet.
Deswegen ist es wichtig, von Beginn an, die richtigen Mitarbeiter:innen zu finden. Wir sind bei dem Prozess immer weiter am Optimieren, aber der aktuelle Prozess erweist sich als effektiv, denn mit den letzten Einstellungen sind wir sehr zufrieden.

