Gerade treibe ich mich wieder in Japan herum und lasse mich von den Eindrücken inspirieren. Was mir in Japan immer wieder auffällt, hier findet man überall kostenfreie Toiletten – in Shoppingcentern, an jedem Tempel, in U-Bahn-Stationen, an Bahnhöfen und sogar in fast jedem 24-Stunden-Markt. Letztere darf man meist nutzen, wenn man dort etwas kauft, aber im Notfall scheint das niemanden wirklich zu kümmern.
Ich nutzte diese auch sehr aktiv und bin deswegen hier auch gerne und lange in den Innenstädten unterwegs. Es stört mich nicht, denn ich weiß, muss ich meinen grundlegenden Bedürfnissen nachkommen, ist dies jederzeit möglich.
Und während ich mich jedes Mal darüber freue, stelle ich mir gleichzeitig die Frage, ob es nicht einer der größten Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte in Deutschland war, kostenpflichtigen Toiletten einzuführen.
Warum? In Deutschland gab es in den 90ern auch kostenfreie Toiletten, doch die Einführung von Gebühren vermittelte eine klare Botschaft: Selbst grundlegende Bedürfnisse sind nicht mehr kostenfrei.
Wenn ich dann die Diskussionen darüber höre, wie man die Innenstädte attraktiver machen kann, kann ich nur lachen. Denn ich bin in der Zwischenzeit der Überzeugung: Wenn wir unsere Innenstädte attraktiver machen wollen, müssen wir zwei Dinge ändern – kostenfreie Toiletten und sauberere Städte.
In vielen Gesprächen mit Bekannten und Freunden sprach ich über dieses Thema. Besonders interessant sind die Reaktionen auf den Punkt mit den Toiletten. Viele ältere Menschen, darunter die Eltern meiner Gesprächspartner, meiden Innenstädte, weil sie wissen, dass sie dort nicht kostenfrei auf Toilette gehen können. Also würden kostenfreie Toiletten mehr ältere Menschen in die Innenstädte bringen?
Von einem Gesprächspartner habe ich sogar erfahren, dass sich seine Eltern jedes Jahr, Jahreskarten für die Museen in ihrer Stadt holen. Aber nicht, weil sie diese besuchen wollen, sondern weil sie dann dort die Toiletten kostenfrei nutzen können. Ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass kostenfreie Toiletten grundlegende Probleme unserer Innenstädte lösen würden?
Man könnte jetzt einwenden, dass Japan weit weg ist und mit unserer Kultur nichts zu tun hat. Aber ein Blick auf andere europäische Städte zeigt, dass unser aktuelles System ziemlich fragwürdig ist.
In Dänemark zum Beispiel, wie mir ein anderer Gesprächspartner mitteilte, stellen Gastronomen ihre Toiletten kostenfrei zur Verfügung und erhalten dafür eine Pauschale von der Stadt oder Gemeinde. Das erspart der Gemeinde den Aufwand, eigene öffentliche Toiletten zu installieren.
Auch in anderen europäischen Ländern sehe ich immer wieder kostenfreie Toiletten im öffentlichen Raum. Zuletzt in Spanien, in Madrid und Barcelona, auch wenn diese nicht so komfortabel, sauber und in der Anzahl vorhanden waren, wie hier in Japan. Aber es gab sie trotzdem ausreichend.
Ich frage mich deswegen, wie lange es noch dauert, bis in Deutschland die Bürgermeister erkennen, dass unser derzeitiges System nicht gerade einladend für die Bewohner der Städte ist. Wäre ich Bürgermeister, wäre deswegen die Einführung kostenfreier Toiletten einer meiner ersten Maßnahmen. Dies wäre meiner Meinung nach der größte Hebel, um die Attraktivität der Innenstädte zu erhöhen.
Wie siehst du dies?

